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Jüdischer Friedhof Hamburg: Kulturhistorisches Denkmal
Der jüdische Friedhof Hamburg ist ein Ort der Stille und des Staunens
Wie stumme Zeugen stehen die dünnen Bäume zwischen den teilweise mit Moos und Gras überwucherten Erinnerungsmonumenten. Die 1600 erhaltenen Grabsteine im portugiesisch-sephardischen Teil des Jüdischen Friedhofs Hamburg liegen flach am Boden und sind kunstvoll mit packenden, biblischen Symbolen und historischen Ereignissen verziert. Sie zählen deshalb zu den bedeutendsten Artefakten sephardischer Sepukralkultur und bilden in ihrer Gesamtheit ein jüdisches Kulturdenkmal. Die Grabplatten, Sarkophage und Pyramidalgräber sollen nicht nur an den Verstorbenen erinnern, sondern ihn auch beschützen. Die kunstvollen Epitaphe norddeutscher Steinmetzkunst sind in Deutsch, Hebräisch, Portugiesisch, Spanisch und sogar in Englisch verfasst. Sie erzählen von Hoffnung, Sehnsucht nach Erlösung und von den Enttäuschungen der Welt.
Die prachtvoll in Marmor, Kalk- und Sandstein gehauenen Arrangements zeigen weinende Putten, Engel, Totenschädel, Löwen, Kronen, Familienwappen und illustrierte Familiennamen. Historiker, Kunsthistoriker und Sprachwissenschaftler untersuchen die 400 Jahre alten Zeugnisse jüdischen Gedankengutes bereits seit dem Jahr 2000. Auch die 5936 im Ganzen oder in Fragmenten erhaltenen aschkenasischen Grabinschriften wurden bis 2006 vom Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte in Duisburg mit Fotografien, Transkriptionen der hebräischen Originaltexte und mit Übersetzungen ins Deutsche publiziert.
Im Gegensatz zu den sephardischen Grabsteinen stehen diejenigen der Aschkenasim aufrecht und zeigen meistens lediglich ein Inschriftenfeld, ikonische Zeichen, segnende Hände oder eine Hand mit Schreibfeder. Rund 800 Grabsteine beider Areale sind nicht mehr erhalten. Sie wurden entweder für den Bau des noch heute bestehenden Sportplatzes auf dem Friedhofsgelände zerstört oder wurden Opfer der Bombardements der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Einige hielten auch die Erschütterungen durch die unterirdisch verlaufende S-Bahn nicht aus oder erlagen Vandalismus oder Diebstahl. Im Jahr 2007 wurde vom Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut in Duisburg und der Stiftung Denkmalpflege das Eduard-Duckesz-Haus als Besuchs- und Weiterbildungszentrum errichtet.
Jüdischer Friedhof Hamburg - ein Spaziergang
Der Hamburger Bezirk Altona liegt im äußersten Westen der Freien Hansestadt direkt an der Elbe und war bis zur Eingemeindung 1938 eine eigenständige Ortschaft. Die bekanntesten Attraktionen im Bezirk Altona sind der Fischmarkt und die Fischauktionshalle, aber auch die nahegelegene Reeperbahn. Der Jüdische Friedhof Altona befindet sich direkt an der S-Bahn-Station Königsstraße, weshalb er auch oft als Jüdischer Friedhof Königstraße oder Portugiesenfriedhof an der Königstraße bezeichnet wird. Auch die S-Bahnstation Reeperbahn bzw. die Busse der Linien 112 Fischmarkt und 36 Reeperbahn sind fußläufig zu erreichen. Wer noch einen kulturhistorischen Spaziergang in der Nachbarschaft unternehmen möchte, sollte sich die katholische Kirche St. Trinitatis mit dem einzigen lächelnden Christus im europäischen Raum ansehen. Auch die idyllischen Uferwege an der Elbe sind einen Spaziergang oder einen Ausflug mit dem Fahrrad wert.
Jüdischer Friedhof Hamburg: Ein jüdisches Kulturdenkmal mit bewegter Geschichte
Der jüdische Friedhof Hamburg ist über die Jahrhunderte aus zwei ehemals getrennten Arealen zusammengewachsen. Zum einen aus dem älteren, den Gemeindemitgliedern mit spanisch-portugiesischer Herkunft zugerechneten Teil und zum anderen derjenige mit Gemeindemitgliedern mittel- und osteuropäischer Herkunft. Das wird auch in der unterschiedlichen Gestaltungsweise der Grabsteine ersichtlich. In einem der prominentesten Gräber auf dem jüdischen Friedhof Hamburg wurde der Vater von Heinrich Heine beerdigt.
Im Jahr 1611 konnten portugiesische Juden in der damals bereits zur Vereinigung der Hansestädte gehörenden Handelsstadt von Graf Ernst III. von Holstein-Schauenburg und Sterneberg auf dem Altonaer Heuberg ein Grundstück erwerben, das als Friedhof genutzt werden sollte. Bereits kurze Zeit später erwarben die sogenannten hochdeutschen Juden, die sich mit dem hebräischen Wort Aschkenas bezeichneten, was nichts anderes als "Deutschland" bedeutet, ebenfalls ein Grundstück für einen Friedhof in direkter Nachbarschaft. Während die Beerdigungen im spanisch-portugiesischen Teil rückläufig waren, wurde der aschkenasische Friedhofsteil zwei Mal erweitert bis beide Areale zusammenwuchsen. In den 1870er Jahren wurden etwa noch 9.000 Einzelbestattungen durchgeführt. Kurze Zeit später verboten die Behörden die innerstädtische Begräbnisplätze.
Auch Katholiken und Protestanten mussten ihre Gräberfelder außerhalb der Stadtmauern anlegen. Die Nominierung zum Weltkulturerbe-Kandidaten sollte ursprünglich gemeinsam mit der Republik Suriname erfolgen, die bereits 1998 die jüdische Ansiedlung Jodensavanne und den dortigen Friedhof Cassipora auf die Tentativliste gesetzt hatte und in Kooperation mit dem Friedhof Beth Haim in Ouderkerk aan de Amstel. Beide Kooperationen sind aber bis jetzt nicht zustande gekommen. Laut Experten-Gremium der UNESCO könne die Entwicklung der portugiesisch-sephardischen Kultur nicht in der Nominierung einer einzigen Stätte und nicht allein in der Grabmalkunst widergespiegelt werden.